Entwicklung und gesetzliche Grundlagen der Prozessbegleitung
Prozessbegleitung und Zeugenbegleitprogramme gibt es schon lange. Herangehensweise und Überzeugungen der teils professionell, teils ehrenamtlich Tätigen unterscheiden sich stark. Einige Bundesländer hatten eigene Projekte entwickelt, zum Teil angelehnt an die Standards von RECHT WÜRDE HELFEN. Schleswig-Holstein hat bereits seit Mitte der 1990er Jahre ein wegweisendes Zeugenbegleitprogramm, das zur Psychosozialen Prozessbegleitung für Opfer von Sexual- und Gewaltstraftaten weiterentwickelt worden ist. Mecklenburg-Vorpommern bot Kindern, Jugendlichen, Heranwachsenden und ihren Angehörigen von 2010 bis 2016 im Rahmen eines Modellprojekts Psychosoziale Prozessbegleitung an. Alle Prozessbegleiterinnen dieses Projektes haben sich bei RECHT WÜRDE HELFEN weitergebildet. Niedersachsen hatte 2012 ein eigenes Qualifizierungsprogramm für Psychosoziale Prozessbegleitung aufgelegt und bietet seither Psychosoziale Prozessbegleitung im Land an. Dies sind nur einige Beispiele.
Einen ersten wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem bundesweiten Angebot hat der Gesetzgeber bereits 2009 getan. Eingeführt hat er damals die Pflicht, auf die Möglichkeit der Unterstützung und Hilfe durch Psychosoziale Prozessbegleitung hinzuweisen.
Mit dem 3. Opferrechtsreformgesetz ist der Gesetzgeber Ende 2015 einen entscheidenden Schritt weitergegangen. Ab dem 1. Januar 2017 gibt es für verletzte Zeuginnen und Zeugen das Recht auf Beistand durch eine professionelle Psychosoziale Prozessbegleiterin bzw. einen Psychosozialen Prozessbegleiter:
„Verletzte können sich des Beistands eines psychosozialen Prozessbegleiters bedienen. Dem psychosozialen Prozessbegleiter ist es gestattet, bei Vernehmungen des Verletzten und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem Verletzten anwesend zu sein.“
(§ 406g Abs. 1 StPO)
Bestimmten Opfergruppen steht jetzt nicht nur ein anwaltlicher Beistand, sondern auch eine Psychosoziale Prozessbegleitung auf Staatskosten zu. Nach der Strafprozessordnung (§ 406g Abs. 3 StPO) sind das minderjährige Opfer schwerer Sexual- und Gewaltstraftaten. Anderen besonders schutzwürdigen Personen, die Opfer bestimmter Straftaten wurden, kann auf Antrag ebenfalls eine Psychosoziale Prozessbegleitung auf Staatskosten beigeordnet werden.
Die Grundsätze der Psychosozialen Prozessbegleitung sowie die Anforderungen an die Qualifikation und die Vergütung der Psychosozialen Prozessbegleiterin / des Psychosozialen Prozessbegleiters sind jetzt in einem eigenen Gesetz geregelt, dem Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) . Hier sind Qualitätsstandards für diese professionelle Begleitung festgelegt.
Entsprechende Leitlinien hatte zuvor bereits eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz beraten, gemeinsam mit Expert*innen zahlreicher Opferschutzeinrichtungen, darunter RWH. Im Juni 2014 haben die Justizminister von Bund und Ländern bundeseinheitliche Mindeststandards für Verletzte von Straftaten und für die Qualifikation der Psychosozialen Prozessbegleiter*innen verabschiedet. Sie waren auch Grundlage für das neue PsychPbG. (Download der Mindeststandards der psychosozialen Prozessbegleitung und der Mindeststandards der Weiterbildung.) RECHT WÜRDE HELFEN setzt diese Anforderungen bereits seit 2004 um.